Samstag, 22. Juni 2013
Lesson 1 - Der Sonnengruß
Jetzt mach ich auch Yoga!
Mit diesem Gedanken wache ich eines Morgens auf und flugs soll er auch in die Tat umgesetzt werden.
Meine erste Yogaerfahrung liegt ungefähr 12 Jahre zurück und in einer Zeit, als ich noch in der ländlichen Idylle der Oberpfalz in einem beschaulichen Örtchen namens Nittenau wohnte. Damals wurde Yoga langsam trendy, sodass sogar die örtliche VHS einen Yoga-Kurs anbot, den ich prompt belegte. Ich kann mich nur noch vage erinnern, dass ich es schrecklich langweilig fand und nach dem 2. Mal nicht mehr hingegangen bin. Eine unendliche Aneinanderreihung von Atemübungen und so zeitlupenartiger Bewegungen, die nicht nur keinerlei Anstrengung bedurften, sondern mich mit dem Schlaf kämpfen ließen.
Nach der ersten halben Stunde dachte ich nur noch völlig enttäuscht: Das ist Yoga??
Und dann war das Thema für mich erst mal durch.
Mein Vorstellung über Yoga erstreckte sich damals auf das Bild eines indischen Yogi im Greisenalter mit verrunzelter Haut, der völlig entspannt auf seinem Meditationskissen sitzt und beide Beine hinter seinem Nacken verschränkt, um sich bequemer an den Zehen kratzen zu können, und dabei in die Kamera grinst. Ich hoffe, dass ich auch so weit bin, wenn ich im Greisenalter bin.

Heute jedenfalls wohne ich in Hamburg und jage von Trendsportart zu Trendsportart. So etwas kann passieren, wenn ein Landei in die Großstadt zieht und plötzlich nicht mehr auf das örtliche VHS-Programm angewiesen ist.

Yoga – ich liebe dieses Wort, der ganze Flair, der Mythos und die Klamotten.
Wenn ich ein Bild von Ganesha sehe möchte ich es kaufen, an eine Wand in meiner Wohnung hängen und davor 108 Sonnengrüße machen. Hätte ich allerdings gewusst, was sich hinter einem Sonnengruß wirklich verbirgt, hätte ich mir vielleicht eine andere Huldigung für Ganesha ausgemalt.

Ich ziehe also los in meiner Lieblingsstadt Hamburg auf der Suche nach einem passenden Yogastudio, die es nebenbei bemerkt wie Yogis in Indien gibt. Die Auswahl ist also groß und man hat die Qual der Wahl. Aber darüber möchte ich ein andermal berichten und springe zu dem Tag, an dem ich mein Yogastudio finde.

Da ich nicht der Typ bin, der 90 Minuten lang atmet und zwischendurch ein Mantra trällert, zog es mich doch eher in Richtung Bewegungsyoga. Ich wollte dem indischen Yogi mit den hinterm Nacken verschränkten Beinen nacheifern.
Und so landete ich schließlich bei Vinyasa Flow.

Als ich das Yogastudiio betrete empfängt mich Cora. Lieber Gesichtsausdruck, elfengleiche Figur und diese „Ich bin mit mir und der Welt im Reinen“ Ausstrahlung.
Ich schnappe mir eine grüne Leihmatte – ich nehme immer grün, keine Ahnung warum, Yogamatten, Spielsteine, Post it’s – und quetsche mich noch in die letzte Reihe.
Cora verschiebt noch ein paar Matten, damit wir uns bei den Sonnengrüßen nicht gegenseitig in die Augen stechen und dann geht sie nach vorn zu ihrer Matte und wir fangen an.

Schneidersitz – Augen schließen – atmen. Cora hat wirklich eine sehr beruhigende Stimme und ich versuche, ihr zu folgen und meine Gedanken auszublenden. Es funktioniert und ich bin fast enttäuscht, als wir die Augen wieder öffnen, um mit den Sonnengrüßen zu beginnen. Endlich lerne ich was ein Sonnengruß ist und ich begreife, warum alle Yogalehrerinnen diese elfengleiche Figur kombiniert mit stahlharten, aber unsichtbaren Muskeln haben.
Einatmen – Hände über den Kopf – Ausatmen – Vorbeuge – Einatmen – Blick nach oben – Ausatmen – in die Planke – Einatmen – kleine Cobra – Ausatmen – herabschauender Hund…
Da ich noch ein Neuling bei den Sonnengrüßen bin, kommen die Stellungen bei mir alle zeitverzögert und sowieso nur angedeutet und ich beschließe, erst in die nächste Position zu wechseln, wenn die erste sitzt, obwohl ich dann im Fluss nicht mehr mitkomme. Aber die Rechnung geht auf und ich merke, dass ich besser mitkomme. Nur habe ich jetzt ein anderes Problem – meine Kondition.
Cora kommt zu mir und verbessert in aller Ruhe meinen herabschauenden Hund, während ich damit kämpfe, mich überhaupt noch auf den Beinen halten zu können, geschweige denn in einem herabschauenden Hund. Cora sagt, dass diese Position später zur Entspannung zwischendurch dienen würde, was ich mir in meiner derzeitigen Lage nur schwer vorstellen kann.
Mit zitternden Armen starre ich angestrengt auf meine grüne Leihmatte, während Cora meine Hüften nach unten drückt und meine Beine in eine immer qualvollere Position zieht, die mich wohl auf die Entspannung im herabschauenden Hund vorbereiten soll. Ausserdem soll ich das Atmen nicht vergessen, aber das hat sich eher in ein Keuchen verwandelt und ich beginne zu zweifeln, dass mein Gehirn dadurch weiterhin mit ausreichend Sauerstoff versorgt werden kann.
Endlich dürfen wir uns in die Planke absenken, was bei mir eher zu einem freien Fall gen Matte wird – Einatmen – und schon geht es wieder in die kleine Cobra.

Als die Stunde zu Ende ist und ich mit zitternden Beinen und durchgeschwitzten Klamotten den Yogaraum verlasse denke ich: Das ist also Yoga. Und ich bin kein bisschen enttäuscht.
Beim Hinausgehen erstehe ich noch eine 10er Karte und hoffe, dass ich es irgendwann in die Krähe schaffe…